zweiter Tag
25.05.
Angst – die Angst überzählig zu sein...
Ich muss gestehen, die A4 Seite hat sich gestern erstaunlich rasch gefüllt und es juckt mir heute gehörig in den Fingern. Also los! Here I`am.
Ich denke darüber nach, was es bedeutet sich selbst als „arbeitslos“ zu bezeichnen. „Ich bin arbeitslos“... Wirklich? Ganz ehrlich „Arbeit!!“ habe ich genug – meine bescheidenen Talente hinsichtlich der Hausarbeit kommen jetzt erst richtig zum Vorschein. (Ich hab mich gestern kurzweilig geärgert, weil ich mal wieder ein Taschentuch mitgewaschen habe!) Ich bekomme für meine Arbeit momentan keine Bezahlung, aber als arbeitslos möchte ich mich deshalb nicht bezeichnen! Ich arbeite in erster Linie an mir selbst – versuche die Abwertung, die durch den Terminus „arbeitsLOS“ etnsteht aus meinen Denkmustern zu verbannen.
Ich denke darüber nach, was meinen Tag und meine Zeit WERTVOLL macht. Den Momenten einen Wert zu geben ist mir in den vergangenen Jahren beinahe verloren gegenen – ich sage beinahe, weil ich die Momente mit meiner Tochter meist als sehr wertvoll empfinde, nach einem anstrengenden Arbeitstag jedoch oft nicht in der Lage war diese Momente zu leben. Gerade wenn man einen 9 to 5 Job im Sozialwesen hat wird die soziale Interaktion nach Dienstschluß zur grandiosen Herausforderung! Meine Flucht war dann häufig der Weg ins Fitnesscenter oder in die Laufschuhe. In all der Zeit in der ich garnicht oder nur sehr gering bezahlt einen full time Job ausgeübt habe war ich beinahe täglich mit meiner Überzähligkeitsangst konfrontiert. In der Klinik in der ich meine Ausbildung machte gab es 7 Psychologinnen in Ausbildung. Wie die Lemminge rückten wir unserem Tag des Ausbildungsendes immer näher – nach uns stand schon die nächste Ausbildungskandidatin in der Reihe um uns zu ersetzten. Mein Bewerbungsmarathon begann im Juli, im Oktober zog ich die AMS-Marke und bis dahin hatte ich mir schon ca. 30 Absagen eingehandelt. Mit dem Stempel „arbeitsLOSLOSLOS“ am Selbstbewusstsein und der Ernüchterung im Genick, vielleicht auch mit der Enttäuschung im Herzen, dass es anderen Kolleginnen gelungen war einen Job zu ergattern (ich stelle nur ganz kleinlaut die Vitamin B-Theorie auf), begann ich mich selbst für mein „Versagen“ zur Verantwortung zu ziehen. Meine Spontantität, meine Lebensfreude, mein Arbeitseifer, meine Begeisterung für die Psychologie wichen einer tiefen Frustration. Ich vergaß stolz auf das zu sein, was ich erreicht hatte! Zwei Studienabschlüsse mit Auszeichnung, ich war Klinische und Gesundheitspsychologin, habe eine wundervolle Partnerschaft, neben all dem war und bin ich Mutter einer entzückenden Tochter und hallo – ich habe das alles erreicht obwohl ich das Kind von ZWEI Lehrern bin! Ich habe auch vergessen mich wohl zu fühlen! In meinem Kopf gab es nur noch die Suche nach Anerkennung – und hier kommt der Knackpunkt, ich selbst konnte mich über Jahre nur durch Leistung definieren, meine Arbeit hatte nur einen Wert wenn am Ende die Aussicht auf Bezahlung stand. Ich rannte und rannte um schließlich beim AMS auf der Wartebank zu sitzen...
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